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Wenn Schulden die Karriere gefährden

Das Projekt „Finance-4-U“ des SKM Dortmund e.V. unterstützt junge Menschen bei ihrem Umgang mit den eigenen Finanzen und hilft Wege aus der Schuldenfalle aufzuzeigen.

 

Wer Schulden hat, ist selbst schuld – so lautet immer noch die vorherrschende Meinung in der Gesellschaft, wenn es um das Thema Schulden geht. Nicht selten wird den Schuldnern schlechter Umgang mit den eigenen Finanzen oder übertriebenes Kaufverhalten vorgeworfen. Dass nicht jeder an seiner Überschuldung selber schuld ist, diese Erfahrung macht Larissa Jakobsmeyer täglich bei Ihrer Arbeit. Die junge Frau ist Schuldnerberaterin beim SKM Dortmund e.V. und leitet seit über einem Jahr das Projekt „Finance-4-U“ am Karl-Schiller-Berufskolleg, das junge Menschen präventiv beim Umgang mit den eigenen Finanzen berät. Dabei hat Larissa Jakobsmeyer häufig mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen zu tun, die durch eine Verkettung unglücklicher Umstände in die Schuldenfalle gerutscht sind. Zwei von ihnen, der 21-jährige Adam und die 27-jährige Janine, haben über ihre Situation gesprochen und erzählt, wie sie mithilfe der Beratung von „Finance-4-U“ einen Weg aus ihrer Schuldensituation gefunden haben.

Von Anna Petri

Vielen Dank, dass Sie beide bereit sind über Ihre Situation zu sprechen. Wie geht es Ihnen heute?

Adam: Heute geht es mir tatsächlich wieder gut, das hätte ich vor wenigen Monaten noch nicht gedacht.

Janine: Mir geht es ähnlich. Zum ersten Mal seit langem habe ich wieder eine Zukunftsperspektive. Zurzeit hole ich mein Abitur nach.

Das ist ja wirklich schön. Dabei sah es vor einiger Zeit noch nicht so gut aus. Können Sie sich noch erinnern, wann Sie das erste Mal mit dem Thema „Schulden“ konfrontiert waren?

Janine: Das ist schon etwas länger her. Ich war gerade volljährig geworden und habe unseren Telefon- und Internetanschluss über mich laufen lassen, weil meine Mutter bereits einen Schufa-Eintrag hatte. Dann sind wir irgendwann ausgezogen, der Vertrag lief aber weiter.

Und wie war es bei Ihnen, Adam?

Adam: Vor etwa einem Jahr konnte ich meine Gasrechnung aufgrund meines geringen Azubi-Gehalts nicht mehr zahlen. Ich befand mich damals im Gespräch mit dem Sozialamt, um mich zu erkundigen, was man hinsichtlich der Situation unternehmen könnte. Aber das Amt konnte nicht helfen.

Wie hat sich die Schuldensituation bei Ihnen dann weiter entwickelt?

Adam: Die Schulden wurden natürlich immer höher. Hinzu kamen weitere Mahnungen sowie Gas- und Stromrechnungen von über 1.000 Euro. In dieser Situation bin ich dann glücklicherweise auf Frau Jakobsmeyer und die Schuldnerberatung aufmerksam geworden.

Janine, bei Ihnen hat sich die Schuldensituation etwas länger hingezogen. Können Sie uns davon erzählen.

Janine: Während meiner vorherigen Ausbildung habe ich zusätzlich Kindergeld und Halbwaisenrente bezogen. Nach vorzeitiger Beendigung der Ausbildung habe ich die Bezüge einfach weiter erhalten und dachte, dies sei korrekt, da ich das Jobcenter informiert hatte. Tja, und irgendwann hat das Amt den Fehler bemerkt und wollte das ganze Geld auf einmal wiederhaben. Das hatte ich aber natürlich schon ausgegeben.

Wie ging es Ihnen damals?

Janine: Mir war eigentlich schon bewusst, dass ich Hilfe brauche, weil ich mit den Schulden in Höhe von etwa 12.000 Euro allein überfordert war. Aber zum damaligen Zeitpunkt kannte ich keine Anlaufstelle, die mich nichts kosten würde. Frau Jakobsmeyer kam dann irgendwann zu uns in die Berufsschule und hat sich in meiner Klasse vorgestellt. Mit ihrer Unterstützung haben wir dann eine Möglichkeit gefunden, meine Situation stetig zu verbessern.

Frau Jakobsmeyer, die nächste Frage möchte ich kurz an Sie stellen. Wie sahen die ersten Schritte aus, nachdem Sie mit Janine gesprochen hatten?

Larissa Jakobsmeyer: Wir haben uns ihre Situation zuerst einmal ganz genau angeschaut und gemeinsam einen Haushaltsplan erstellt, um zu schauen, an welchen Stellen mögliche Probleme liegen oder wo man am ehesten sparen kann. Letztlich haben wir uns in Janines Fall entschieden, aufgrund der hohen Überschuldung das Insolvenzverfahren anzustreben.

Wie sah es in Adams Fall aus?

Larissa Jakobsmeyer: Zum Zeitpunkt des Erstgesprächs waren sowohl Gas- als auch Stromanschluss bereits abgeklemmt und Mietschulden aufgelaufen. Kurze Zeit später verlor Adam seinen Ausbildungsplatz. Wir haben uns deshalb zunächst um die Existenzsicherung gekümmert. Wir haben mit dem Jobcenter und dem Sozialamt bezüglich eines Darlehens gesprochen und die Anbieter informiert, dass etwas unternommen wird. Der erste Schritt sieht immer so aus, dass wir uns einen Überblick über die Situation verschaffen und zuerst dort ansetzen, wo es besonders akut ist.

Oft hört man ja den Satz „Wer Schulden hat, ist selbst schuld.“ Ihre Fälle zeigen aber, dass auch eine Verkettung unglücklicher Umstände schnell in die Schuldenfalle führen kann.

Janine: Bei mir war das in der Tat so, weil der Weg in die sogenannte Schuldenfalle ja bereits durch die Übernahme der Zahlungen meiner Mutter begonnen hat. Und wenn man erst einmal wirklich überschuldet ist, ist es natürlich auch sehr schwer, mit dem Geld richtig wirtschaften zu lernen.

Adam: Ich muss gestehen, dass ich auch mit daran schuld war. Obwohl ich bereits Mietschulden hatte, habe ich häufig im Internet eingekauft und irgendwann den Überblick verloren.

Larissa Jakobsmeyer: Aus diesem Grund wollen wir bei „Finance-4-U“ besonders über den richtigen Umgang mit den eigenen Finanzen aufklären. Gerade junge Menschen, die sich noch in der Ausbildung befinden, verfügen oft nur über ein geringes Einkommen. Und wenn sie davon schon die Miete, den Strom und das Gas zahlen müssen, sich aber natürlich auch ab und zu etwas leisten möchten, ist es ganz wichtig, dass sie den Überblick behalten und haushalten lernen, damit erst gar keine Schulden entstehen.

Janine: Viele junge Menschen wissen glaube ich nicht, wie leicht man in die Schulden hineinrutschen kann und wie schnell dann alles geht. Umso wichtiger, dass man sich möglichst früh über den richtigen Umgang mit den eigenen Finanzen informiert.

Ganz herzlichen Dank für das Interview.

 

Weitere Informationen zum Projekt „Finance-4-U“ finden Sie hier:

http://www.finance-4-u.de/index.php?id=2



13.01.2016

Erschienen im Stadtanzeiger am 13.01.2016


09.12.2015

Nina Angela Werning und Alan Bakhchiev sind Teilnehmer der Projekt-AG von „Finance-4-U“ – einem Kooperationsprojekt des SKM Dortmund e.V. mit dem Karl-Schiller-Berufskolleg Dortmund. Ziel des Projekts ist es, junge Menschen über den bewussten Umgang mit den eigenen Finanzen aufzuklären und ihnen wichtige Tipps und Hilfestellungen zum Thema Geld mit an die Hand zu geben.

Worum geht es bei dem Projekt „Finance-4-U“ genau?

Nina: Der Schwerpunkt liegt auf der Auseinandersetzung mit dem Thema „Geld“ und allem, was damit zu tun hat. Das Themenspektrum reicht von Finanzen über Aktienkurse bis hin zur ersten eigenen Wohnung und dem ersten eigenen Auto. Im Rahmen von „Finance-4-U“ nähern wir uns diesem Thema besonders im Hinblick auf die Bedeutung von Finanzen für unsere Altersgruppe. Welche Rolle spielt das Geld für junge Menschen, die sich in der Übergangszeit von Schule ins eigene Erwerbsleben befinden? Wie können wir lernen, mit unserem eigenen Einkommen richtig hauszuhalten, ohne in die Schuldenfalle zu tappen?

Alan: Auch Nebenjobs spielen eine Rolle. Welche Möglichkeiten des Geldverdienens gibt es für junge Leute und wie soll ich mit dem eigenen Einkommen umgehen, um, wie Nina es ja gesagt hat, erst gar keine Schulden entstehen zu lassen.

Wie seid ihr auf das Projekt aufmerksam geworden?

Alan: Larissa Jakobsmeyer  vom SKM kam zu uns in den Unterricht, hat die Flyer verteilt und über das Projekt informiert, auch, das am KSBK eine AG aufgebaut wird, die sich mit dem Thema Finanzen auseinandersetzt. Wir fanden das sehr interessant – natürlich auch vor dem Hintergrund, dass wir eine Wirtschaftsschule besuchen und durch den Besuch der AG auch die Möglichkeit bekamen, weitere relevante berufliche Qualifikationen zu erwerben.

Was hat euch sonst noch motiviert, an der AG teilzunehmen?

Nina: Mich hat vor allem das Thema Geld an sich motiviert, das ja in der heutigen Gesellschaft ohnehin eine sehr große Rolle spielt. Für mich persönlich war es auch sehr wichtig zu schauen, wie ich ein realistischeres Gefühl für meine eigenen Finanzen bekomme.  

Alan: Mich hat die AG auch deshalb besonders motiviert, weil unser Schulabschluss ja nun auch unmittelbar bevor steht und wir vor dem Eintritt ins Berufsleben, also vor dem Eintritt in einen ganz neuen Lebensabschnitt stehen. Viele von uns werden ausziehen, eine Ausbildung oder ein Studium beginnen. Wir stehen vor der Herausforderung, uns unser Leben nun selbstständig zu finanzieren. Von der AG haben wir uns erhofft, eben auf genau dieses Leben und den Umgang mit Geld darin vorbereitet zu werden – und wurden nicht enttäuscht. Ich würde es jedem empfehlen, sich möglichst frühzeitig, bevor man auszieht und auf eigenen Beinen steht,  umfassend mit dem Thema Geld auseinanderzusetzen, damit typische Fehler von Anfang an vermieden werden können.

Welche konkrete Rolle spielt Geld für eure Altersgruppe?

Nina: Für mich ist das Thema sehr aktuell, weil ich mir zum 18. Geburtstag ein eigenes Auto finanziert habe und dementsprechend möchte ich auch den Sprit und die Versicherungen selbst zahlen. Umso wichtiger erscheint es mir, einen Überblick über die anfallenden Kosten zu bekommen um besser einschätzen zu können, wieviel Geld ich dafür im Schnitt benötige.

Alan: Für mich spielt auch die Abhängigkeit von den Eltern eine wichtige Rolle. Ab einem gewissen Alter möchte man auch gern auf eigenen Beinen stehen und sein eigenes Geld verdienen. Wichtig erscheint mir dabei vor allem der Aspekt, einen realistischen Blick für seine Einnahmen aber auch für seine Ausgaben zu bekommen. Nina hat es mit dem Auto eben angesprochen. Man muss realistisch abschätzen, wofür man monatlich sein Geld ausgeben will. Reicht da mein Nebenjob? Oder muss ich vielleicht bei der Freizeitgestaltung Abstriche machen. Das sind wichtige Fragen, die man sich in jedem Fall stellen sollte, um nicht Gefahr zu laufen, in die Schuldenfalle zu tappen.

Im Rahmen des Finance-4-U-Projektes wurdet ihr unter anderem auch zu Jugendfinanz-Coaches ausgebildet. Was meint das konkret?

Nina: Mit meiner Freundin bilde ich ein Team, in dem wir Mitschülern bei Finanzfragen beratend zur Seite stehen möchten. Es geht dabei häufig auch um zentrale Fragen, wie die erste eigene Wohnung oder das eigene Auto. Gemeinsam schauen wir uns die finanzielle Ausgangslage an und erstellen einen Kostenplan, um zu schauen, ob die Finanzierung überhaupt realistisch ist. Unsere Aufgabe ist es die Leute zu beraten und ihnen zu helfen, einen besseren Überblick über die eigenen Finanzen zu bekommen.

Alan: Mein Schwerpunkt sind die sozialen Netzwerke. Wir haben eine Instagram-Seite und eine Facebook-Seite eröffnet, um die Leute darüber auch regelmäßig mit Tipps und Ratschlägen rund um das Thema Geld zu versorgen.

Was glaubt ihr, wieso haben so viele junge Menschen Probleme mit Geld und Schulden?

Alan: Ich glaube ein entscheidender Punkt gerade in unserer Altersklasse ist die Tatsache, dass wir Vieles über die Eltern bekommen haben und nie wirklich herausgefordert waren, uns über den Umgang mit Geld Gedanken zu machen. Daher fühlen sich viele überfordert, wenn sie dann plötzlich mit dem eigenen Einkommen haushalten müssen. Oft bekommt man erst dann ein Gefühl dafür, was Geld eigentlich bedeutet. Fixkosten, wie Miete, Heizung und Telefon haben viele noch gar nicht so wirklich auf dem Schirm. Man muss dann viel konkreter abwägen: Müssen es jetzt wirklich noch die  neuen Kopfhörer oder das neue Videospiel sein – oder investiere ich eher in die neuen Schuhe, die ich tatsächlich für den Winter brauche.

Nina: Ich glaube auch, dass nach wie vor, die Markenfixiertheit der Menschen eine Rolle spielt. Ich muss jetzt unbedingt, genau diese Bluse haben, auch wenn sie unter Umständen 180 € kostet. Natürlich spielen dabei auch die Medien eine Rolle. Wir sind nun einmal anfällig für Werbung und für die Versprechen, die uns dort gemacht werden.

Was möchtet ihr für die Zukunft aus diesem Projekt mitnehmen?

Nina: Natürlich finde ich es schade, dass das Projekt nun vorbei ist, denn es hat einfach sehr viel Spaß gemacht. Wir sind als Gruppe zusammen gewachsen und haben viel für unser eigenes Leben und den Umgang mit Geld lernen können. Ich fühle mich wirklich gut vorbereitet und freue mich schon darauf, die Tipps und Anregungen konkret im Alltag umsetzen zu können. Außerdem bin ich auch sensibler geworden, wenn es darum geht zu überlegen: Brauche ich das Teil jetzt wirklich, oder spare ich das Geld nicht doch lieber.

Alan: Die Fülle an Erfahrungen, die wir machen durften, wird für uns auf unserem weiteren Lebensweg auf jeden Fall eine Bereicherung darstellen. Ich denke auch, dass ich selbst – jetzt wo ich so viel über den Umgang mit den eigenen Finanzen gelernt habe, auch zukünftig eine Hilfe für andere junge Menschen sein kann. Das wünsche ich mir.

Das Gespräch führte Anna Petri

Information:

Um dem Trend jugendlicher Überschuldung  zumindest lokal entgegenzuwirken, wurde von der Schuldenprävention des SKM Dortmund e.V. in Zusammenarbeit mit dem Karl-Schiller-Berufskolleg (KSBK) das Projekt „Finance-4-U“ ins Leben gerufen. Im Rahmen des Projekts gibt es seit Februar 2015 verschiedene Angebote rund um die Themen Geld und Schulden, die in enger Zusammenarbeit mit der Schulsozialarbeit, der Lehrer- sowie Schülerschaft und der Schulleitung des Karl-Schiller-Berufskollegs umgesetzt werden. Junge Menschen sollen während der Ausbildungszeit angeregt werden, über das eigene Kauf-/Finanzverhalten nachzudenken, sich mit den Problemen auseinanderzusetzen und auf dem Weg in ein selbstständiges Leben lernen, mit z.B. dem geringen Ausbildungsgehalt oder Taschengeld zu haushalten.

Im Mittelpunkt des Projekts steht die Projekt-AG, in dessen Rahmen Schüler/-innen und Schüler zu Jugendfinanz-Coaches ausgebildet werden. Nach dem Motto „Schüler helfen Schülern“ wurden die AG-Mitglieder ausgebildet und können ihr erworbenes Wissen an ihre MitschülerInnen weitergeben. Das Projekt „Finance-4-U“ am Karl-Schiller-Berufskolleg in Dortmund wird gefördert durch den Sonderfonds des Erzbistums Paderborn für spezifisch-armutsorientierte Dienste in der Caritas. Durchgeführt wird es von Larissa Jakobsmeyer vom SKM Dortmund e.V.

Erschienen ebenfalls im Dom am 17.01.2016


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